7 September 2024

111 Jahre Dauerwelle: Geschichte und Revival

Eine Reise durch die Zeit, der Einfluss der Dauerwelle auf die Mode und die Chance auf ein Revival…

 

2017 ist die Dauerwelle 111 Jahre alt geworden! Es war ein langer Weg – vom flüchtigen Anfang, über die Entwicklung mit der Zeit und mit der Mode bis hin zu dem großen Einfluss, den dieser Look auf die Veränderung der Frau in der Gesellschaft hatte. Jetzt versucht sie, ihren Weg zurück in den Salon zu finden, ohne das Gefühl zu evozieren, ein alter Hut zu sein. 

 

London, 8. Oktober 1906. Der deutsche Friseur Karl Ludwig Nessler, besser bekannt als Charles Nestlè (damals war es unerlässlich, im Friseurhandwerk einen Hauch ‚Pariser Flair’ einfließen zu lassen), präsentierte vor einer Gruppe Kollegen in seinem Beautysalon auf der Oxford Street seine erste „offizielle“ Dauerwelle. Das außergewöhnliche Model war die Frau des Erfinders selbst, Katharina Laible. Eine mutige Dame, die ihren Mann offensichtlich „bedingungslos“ liebte, da sie sich bei vorherigen Experimenten sowohl Haar als auch Kopfhaut verbrennen ließ.  

 

Man darf nicht vergessen, dass der Wunsch nach dauerhaften Locken zu der Zeit weltweit enorm war, (die meisten Frauen trugen damals langes Haar) und demzufolge war Nesslers Entdeckung genau das, was der Markt damals forderte. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern wickelte er das Haar um heiße (Ess)Stäbchen, damit sie sich in fluffige Büschel verwandelten. Dabei stieß der akkurate Deutsche auf eine fundamentales Problem: Um die Locke “permanent” zu machen, war die Hitze nicht groß genug: Das Haar wurde zuvor mit einer alkalischen Substanz weicher und biegsamer gemacht. Nur so konnte man es um erhitzte Metallstäbe drehen. Auch der technologische Fortschritt verhalf dem Wissenschaftler zu dieser Erkenntnis: Elektrizität eroberte die Haushalte, das Erhitzen und die Anwendung kleinerer elektrischer Geräte stellte für viele Menschen kein Problem mehr dar. 

 

So kreierte Nestlè ein Gerät mit elektrisch aufheizbaren Bronzewicklern, die von oben herabhingen und in die das Haar heraufgerollt wurde, so dass es vom Kopf weg war, um diesen nicht zu verletzen. Jeder Wickler wog drei bis vier Pfund und wurde so heiß, dass er manchmal das Haar verkokelte … (!)

 

Genau diese Erfindung wurde am 8. Oktober 1906 präsentiert. Néstles Kollegen waren nicht besonders überzeugt von der Idee und nur wenige übernahmen aus diversen Gründen dieses Gerät. Die Behandlung war nicht nur lang und arbeitsintensiv, sondern auch sehr teuer für die Kundin, das Gerät war sperrig und dann war da noch das Risiko der Schädigung von Haar und Kopfhaut. Aber nicht nur das: Die Friseure hatten Angst, dass eine Innovation wie diese den kreativen Aspekt als wichtigen Part ihres Berufes negativ beeinflusst.

 

Dennoch ließ Karl seine Erfindung, den Dauerwellenapparat sowie die in den Jahren darauf folgenden Optimierungen patentieren. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, emigrierte Nessler in die USA und entdeckte dort, dass es von seiner Technologie jede Menge Kopien gab – und das schon seit geraumer Zeit. Man sagt, dass Nessler ein Imperium an Beautysalons mit jeder Menge Angestellten und Zweigniederlassungen in Chicago, Detroit, Palm Beach und Philadelphia erschuf, in denen er auch die anderen zwei deutschen Erfindungen anbot: falsche Wimpern und ein Set für die Heimdauerwelle. Während der Weltwirtschaftskrise 1929 verlor er alles, aber er arbeitete noch Jahrzehnte weiter. In dieser Periode machte auch die Dauerwelle Fortschritte. 

 

Forschungen, Optimierungen, Erfindungen 

Die Dauerwelle hat ihren großen Auftritt, als die Mode sie zum modernen Accessoire macht. 

 

KURZES HAAR. Trotz Kriegswirren existierte in Europa eine große Euphorie, die für eine Weile andauerte. Die Frauen realisierten die dramatischen Anzeichen der Situation kaum. Nach dem Winter 1916/17 änderte sich dies drastisch. Es gab große Verluste an der Front, Reservisten wurden mobil gemacht und die Frauen waren gezwungen, das Geld für die Familie zu verdienen, während ihre Männer im Krieg waren. Offensichtlich haben geschichtliche Ereignisse auch einen Einfluss auf die Mode. Die ersten Frauen, die sich „trauten“, ihrem Haar einen scharfen Schnitt zu verpassen, schienen auch diejenigen gewesen zu sein, die sich jeder Menge Bewunderung erfreuen konnten – und viele Nachahmerinnen. Ob glatt oder wellig, den Schnitten bis auf Kinnhöhe (wir könnten es einen Bob nennen) folgte der Pagenkopf, der als eine wahre Rebellion angesehen wurde. 

 

Und was passierte zwischenzeitlich mit der Dauerwelle? Die Forschung schritt voran und Innovationen wurden angetrieben, aber erst zwischen 1920 und 1930 zeichneten sich signifikante Veränderungen ab. 

Der Verdienst gilt in erster Linie dem Schweizer Eugene Suter und dem Spanier Eugenio Isidoro Calvete, die ein Röhrchensystem entwickelten, in das zwei Wickler in einem Aluröhrchen mit darum gedrehtem Haar platziert wurden. Den größten Beitrag leisteten jedoch der tschechische Friseur Josef Mayer (1924) und die afroamerikanische Marjorie Joyner, die 1928 ein Gerät patentieren ließen, bei dem das Haar in Zylinder gerollt wurde.

 

Einer Erfindung folgt bekanntlicherweise die nächste und jede basiert auf der vorherigen. 1934 kreierte das Unternehmen Calvete iCall eine innovative Methode, bei der die Röhrchen oder auch Stäbchen unabhängig vom Strom waren. Diese neue Technologie wurde 1935 in London auf der Hairdressing Fashion Show präsentiert und avancierte zu einem riesigen Erfolg. 

 

Zu den bekanntesten Gesichtern der Kurzhaarfans um 1920 gehörte Mademoiselle Coco Chanel. Sie trug als eine der ersten ihr Haar kurz – avancierte zum Symbol der Moderne und wurde schon bald zigfach imitiert. Selbst die Stars – ob aus Hollywood oder sonst woher – ahmten ihr nach und konnten dem Charme der Wellen im Haar oder auch der Dauerwelle nicht widerstehen – was aus ihnen eine großartige Femme Fatale machte. Mary Pickford, die blonde Jean Harlow, die elegante Marlene Dietrich und auch die wunderschöne Ava Gardner zählten zu den Frauen, die der Dauerwelle zur damaligen Zeit zu weltweitem Ruhm verhalfen. 

 

Unter den technologischen Innovationen der 20er und 30er gab es eine weitere, revolutionäre Erfindung: die von Arnold F. Willat. Er erfand 1938 die „Kaltwelle“, den Vorgänger der heute am meisten verwendeten Methode. In dieser Zeit begannen auch die ersten ernsthaften Forschungsarbeiten in kosmetischen Laboratorien. 

 

An diesem Punkt lohnt es sich, einen großen Zeitsprung zu machen – ein paar Jahrhunderte zurück. Eine der ersten Varianten der permanenten Krause kam in der Zeit von König Ludwig dem XIV (1638-1715) auf. Man nannte sie “Teufelslocken.” Die Strähnen wurden auf Terrakottazylinder gedreht, für drei Stunden in kochendes Wasser gehalten, „gekocht“ und anschließend im Ofen getrocknet. Hierzu muss man klarstellen, dass das Ganze mit einer Perücke geschah und nicht direkt am Kopf. 

 

Wie bereits erwähnt, wurde die Dauerwelle ab 1940 zu einem Hauptforschungsgebiet führender Haarmarken. 1945 wurde Oréol von L’Oréal kreiert und dann 1947 kam Testanera dazu, das heutige Schwarzkopf Professional.

 

Als in den 50ern die Anzüge en vogue waren – generell in Medium Size, in vielen Varianten und als Zeichen des guten Geschmacks – zierten Lockengebilde die Köpfe (kein einziges Haar durfte abstehen!). Dies zeigte den Drang danach, wieder zur Femininität zurück zu kehren, denn während des Krieges hatten die Frauen Anderes zu tun, als sich ihrer Schönheit und ihrem bürgerlichen Image zu widmen. 

 

In den 1960ern wurde das Thema dann komplexer und die Dauerwelle erlebte ihr erstes schwarzes Kapitel. Während die Damen eines bestimmten Alters einen „schweren“ Mantel und Dauerwelle trugen, gingen die jungen Menschen parallel auf die Straße und demonstrierten für alle Arten von Freiheit, auch hinsichtlich ihrer Looks. Bald standen sich zwei gänzlich verschiedene Welten gegenüber: die über und die unter – sagen wir im Schnitt 25 Jahren. Dieses Alter war in der Tat eine Grenze zwischen den beiden Universen. 

 

Nicht zu vergessen, dass in dieser Zeit auch Vidal Sassoon seinen Bob „erfand“. Die fluffige Dauerwelle musste nach und nach dem geometrischen und glatten Look weichen. Und auch die Flowerpower-Kids distanzierten sich von jeder Art der künstlichen Veränderung ihrer Haare – mit einer besonderen Ausnahme: Die Fans der Aktivistin der afroamerikanischen Bürgerbewegung Angela Davis kopierten ihr Markenzeichen: das extrem lockige Haar, ihren Signature Afro-Look. Das Musical ‘Hair’ hatte 1967 auf dem Broadway Premiere, 1979 gab’s dann den Kinofilm dazu.   

 

Man kann in der Tat behaupten, dass die Dauerwelle ein wahres Modephänomen war, welches bis in die 1908er Jahre reichte. Die exzessiven 80er bildeten die ideale Kulisse für diverse Hairstyles. Massenhafte Accessoires, die berühmten Schulterpolster, ohne die es kaum ein Kleidungsstück gab…  Die Locken liebten ihre Freiheit. Kein zusätzliches Styling, einfach nur jede Menge voluminöses Haar, und on top wurde es exzessiv coloriert!  

Hosen mit hoher Taille, heiße Locken, enge Leggings…die Kunst der Stunde lautete Übertreibung. Selbst die Männer unterzogen sich stundenlangen Friseurbehandlungen: sie gingen mit glattem Haar in den Salon und kamen gelockt wieder heraus. 

 

Der Dauerwellenhype konnte natürlich auf die „Dauer“ nicht gesund sein. Deshalb setzte sich nach und nach, zunächst in den Großstädten, ein neuer Trend durch: Gesundes Haar wurde zum Thema Nummer 1. Dies führte zusammen mit der Evolution in der Mode dazu, dass die Dauerwelle bei der modernen Frau immer weniger gefragt war. Die 90er standen für Reduktion, Minimalismus und Understatement in jeder Hinsicht. Und das Haar passte sich an: Pixie Cuts, oft mit Pony; langes, extra feines, glattes Haar praktisch ohne Volumen inspirierte die Jugend. Diejenigen mit lockigem Haar ließen sich, um dem Trend zu folgen, ihr Haar chemisch glätten… 

 

Die Firmen haben also jetzt ein Problem: Wie erweckt man den alten Ruhm der Dauerwelle zu neuem Leben? Denn schließlich und das kann man nicht verneinen, gibt es zu diesem Thema einige positive Aspekte mit Blick aufs Salongeschäft und auch aus ästhetischer Sicht.  

 

Es gibt demnach zwei Aufgaben: Man muss an der Formulierung arbeiten, damit diese sanfter wird und man muss den Namen ändern. Mit dem Wort „Dauer“ Welle verbindet man nämlich sofort etwas Altmodisches mit wenig positiven Konnotationen. Jetzt wird es „Form Service“ (Umformungsservice) genannt. 

 

In der Haarmode ist es Zeit für eine neue Bewegung. Es braucht eine Idee, mit der Unternehmen Problemstellungen lösen können, indem sie hochverlässliche Technologien mit modularen, dauerhaften oder temporären Resultaten anbieten können. Haarumformung passiert durch die Verwendung von Technik. Sie soll sich aber in ihrer Form verändern, weg von der klassischen Dauerkrause: eine Neuerfindung sozusagen, die wieder einen Trend kreiert, einen Service, der durch seinen Namen zum Synonym wird. So können wir viele verschiedene Formen und Varianten einer Dienstleistung anbieten, die es verdient, ihren Weg zurück in den Salon zu finden…nach 111 Jahren. 

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