André Goerner ist Inhaber des elitären Gentlemen’s Circle an Berlins Gendarmenmarkt, einer der teuersten Gegenden der Stadt.
Aber nicht nur das: Ein paar Straßen weiter nennt der Friseurmeister und La Biosthétique Partner den großzügigen, lichtdurchfluteten Hair Salon Goerner & Company sein eigen. Darüber hinaus ist er ein Visionär – der, kaum hat er eine Idee umgesetzt, schon über die nächste sinniert. Estetica hat den charmanten Gentleman in seiner „Manufaktur für Herrenkultur“ besucht.
Es scheint, als stand der britische Gentlemen’s Club Pate für dieses wunderbare Männer-Refugium?
Unbedingt, ja! Auf jeden Fall. Der Gentlemen’s Circle ist für viele ein Rückzugsort. Was sind denn eigentlich englische Herrenclubs? Viele verstehen unter einem Gentlemen’s Club einen elitären Ort, an dem große Gespräche geführt und geheime Absprachen getroffen werden. Aber das sind sie nicht, im Kern sind diese Clubs nichts anderes als ein Wohnzimmer mitten in der Stadt – zum sich zurückziehen. Wir haben damals ein Brainstorming gemacht und uns gefragt: Was finden wir gut an diesen englischen Männerclubs? Heraus kam: Die Atmosphäre, das Leder, alles, was wir als Klischee dabei ansehen – aber mit einem Unterschied – Bei uns darf jeder (Mann) rein. Am Anfang wurden wir nämlich ganz oft gefragt, ob man Mitglied sein muss, um unseren Gentlemen’s Circle zu betreten. Mir geht es nicht darum, anders zu sein, aber tatsächlich braucht es ein Alleinstellungsmerkmal, um in einer Stadt wie Berlin erfolgreich zu sein.
Was kosten Bart und Schnitt in diesem edlen Etablissement?
Ungefähr 100 Euro.
Bemerken Sie eine Änderung im Groomingverhalten der Männer hierzulande?
Ja, definitiv. Wir haben vielen Männern eine Welt eröffnet, von der sie gar nichts wussten. Früher ging der Mann zum Friseur seiner Frau mit dem Ziel: Seiten bisschen kürzer und oben bisschen länger. Heute hat der Mann seinen eigenen Rückzugsort, an dem er sich in stilvollem Ambiente stylen und pflegen lassen kann.
Wie oft lassen Sie sich Ihr Haar schneiden und den Bart pflegen?
Wöchentlich und ich habe sogar meinen eigenen Barbier hier im GC. Ich würde nämlich, selbst wenn man mir die Augen verbindet, im Anschluss erkennen, wer von meinen Angestellten mir die Haare geschnitten hat. Wenn ich die Haare geschnitten bekomme, dann dauert das mit Bart über eine Stunde. Das können sich viele Männer gar nicht richtig vorstellen.
Stichwort Barber’s Selection – was bedeutet das?
Ganz einfach: Die Barbiere entscheiden, mit welchen Produkten sie arbeiten und sie entscheiden auch, ob das jeweilige Produkt für sie gut genug ist, um damit zu arbeiten. Das war für uns auch ganz entscheidend bei Acqua di Parma, eine italienische Marke, die wir jetzt ganz neu hier im GC führen – auch hier haben meine Barbiere entschieden, ob diese Marke zu uns passt. Auch die hochwertige Männerserie „HOMME“ von La Biosthétique gehört zu unserer Pflege-Range.
Sie haben eine eigene Maßschneiderei hier?
Ja, und auch dieses Konzept sowie die Wahl der Hemdenschneiderei mussten erst mal an mir vorbei. Unsere Kooperationen suchen wir uns so aus, dass sie zu unserer „Story“ passen. So war es auch bei der Maßschneiderei, die wir als Service mit anbieten und die wirklich sehr gut angenommen wird.
Stehen Sie auch selbst im GC oder drüben in ihrem La Biosthétique Flagship Salon hinter dem Stuhl?
Ja, ich liebe das Haareschneiden. Aber mein Schwerpunkt als Friseur tatsächlich drüben im (Damen)Salon Goerner & Company. Hier im Gentlemen’s Circle ist die Erwartungshaltung der Gäste, von einem Barbier behandelt zu werden. Ich mache grundsätzlich keine Bärte und keine Rasur, das können meine Jungs hier in Perfektion. Aber ich erarbeite sehr gerne Herrenhaarschnitte. Hier im GC verkaufen wir ein Erlebnis auf eine Erwartungshaltung hin, die wir natürlich erfüllen wollen. Meine Barbiere stehen hier deswegen stets im absoluten Mittelpunkt.
Denken Sie, dass es diese Institution in sagen wir einmal 50 Jahren so noch gibt?
Davon bin ich überzeugt! Das Schöne gerade bei Männern ist, dass etwas Beständigkeit hat. Es gibt ja auch einen Grund dafür, warum Männer Oldtimer lieben. Männer lieben Dinge von Wert und Beständigkeit. Sie sind froh, ihren Schneider, ihr Restaurant, ihr Bier zu haben. Und wenn das Ganze so attraktiv ist, dass die Väter dann irgendwann mit ihren Söhnen kommen, dann haben wir es richtig gemacht. Wir haben für diese Location hier einen Mietvertrag über 20 Jahre abgeschlossen. Natürlich wird es diese Location noch lange geben, denn wenn ich daran nicht glauben würde, dann würde ich das auch nicht machen.
Funktioniert solch ein Konzept wie dieses hier auch in kleineren Städten?
Der Name Gentlemen’s Circle beschreibt ja nicht unsere Gäste, die sich in einem Gentlemen-Viertel befinden, denn bei uns sitzen Politiker neben Rappern, Anwälten und Studenten. Gentlemen’s Circle steht für eine Gruppe von Gentlemen’s Services, die ich für die besten am Markt erachte, und ich möchte diese verschiedenen Dienstleistungen unter einem Dach anbieten. In einer anderen Stadt würde ich mir zunächst anschauen, welches denn die Platzhirsche sind: der beste Herrenausstatter, die beste Bar, der beste Zigarrenhändler. Dann würde ich zu ihnen gehen und ihnen anbieten, sich auch bei mir zu präsentieren – ich offeriere ihnen so, sich über ihre eigene Ladenfläche hinaus bei ihrem Zielpublikum zu präsentieren.
Man muss sich, wenn man eine Idee wie diese hat, anschauen, wie das Zielpublikum im Umkreis des Ladens tickt. Dann ist es vielleicht nicht der Maßschneider, sondern Nike, mit denen ich kooperiere – und dann ist es keine Whiskeybar, sondern dann haben wir eine Kooperation mit Red Bull oder Jägermeister. Natürlich schaue ich mir die Umgebung an – die Gäste müssen sich ja ernst genommen fühlen. Die Frage nach dem Einzugsgebiet will beantwortet werden. Mein Tipp: Ignoriere nicht, was um dich herum ist.
Sie geben auch Seminare für La Biosthétiques Herrenfriseure…
Ja, und da frage ich die Teilnehmer immer wieder: „Wenn ihr eine Modemarke wärt, was wärt Ihr?“ Dann kommen einige mit großen Marken wie Gucci, Ralph Lauren usw. Und dann frage ich: Wie weit ist diese Marke von deinem Laden weg? Festzustellen ist dann nicht selten, dass Anspruch und Umfeld gar nicht kongruent sind. Der nächste Chanel-Store ist mehrere hundert Kilometer entfernt und die Lage des Salons ist nicht 1a, sondern vielleicht sogar ländlich gelegen. Was ja an sich keine Wertung ist, sondern nur Fakt. Und dann frage ich nach den Marken in der unmittelbaren Umgebung, eine private Boutique beispielsweise. Es ist doch so: Glaubhaft ist nur der, der auch in dem, was er tut, konsequent ist. Man muss sich selbst klar machen, wer man ist, was man will und wo man hin will. Wie will ich wirken? Ich muss mir bewusst sein, was ich ausstrahle und wie ich auf andere wirke.
Stichwort Werbung: Wie haben Sie bei der Eröffnung auf sich aufmerksam gemacht?
Wir haben am Eröffnungstag alle Tageszeitungen von Berlin und bekannte Freunde von mir eingeladen, haben am Anfang viel „Alarm“ und dadurch auch auf uns aufmerksam gemacht. So sind dann auch die guten Barbiere zu uns gekommen. Mein Motto: Dran glauben und dementsprechend auftreten. Ich habe hier das Zielpublikum vor der Tür, muss also nicht groß werben.
Und wie schaut es mit Social Media aus?
Unsere Gäste kommen hierher, weil es eben kein Public Viewing Place ist, sondern weil sie hier Ruhe finden und privat sind. Das Thema Social Media ist im Gentlemen’s Circle also nicht so groß; dafür spielen Instagram & Co. in meinem La Biosthétique Flagship Salon hier in Berlin eine umso größere Rolle. Denn Frauen wollen immer wissen, was neu ist, was Trend ist und was kommt. Das liegt in der Natur der Frau. Hier im GC ist es genau das Gegenteil, hier geht es um Erhalt und Beständigkeit.
Die letzte Frage ist persönlicher Natur: Wie entspannt ein André Goerner?
Ich gestehe, ich muss mich immer ein bisschen zwingen in den Urlaub zu fahren. Das macht meine Partnerin sehr gut. Wir lieben Kurztrips nach Barcelona, Mallorca, Reykjavík, Darß, Sankt Peter-Ording … Ich fahre leidenschaftlich gern Motorrad und bin letztes Jahr mit meinem Bruder von Berlin nach Korsika gefahren. Zeit mit mir zu verbringen entspannt mich, gibt mir Energie. Auch die Zeit mit meiner Tochter ist absolute Quality Time, die genieße ich sehr. Zudem versuche ich, meinen Alltag so zu gestalten, dass ich nicht an mein Limit komme, sondern stets präsent bin – für den Gast morgens um 10 und auch abends um 19 Uhr.
Fotocredit: Pavel Becker
Weitere Informationen: gentlemens-circle.com